Behandlungsspektrum: Postpartale Depression
Das Baby ist da! Alle freuen sind und als Mutter sollten Sie eigentlich am allerglücklichsten sein? Doch genau das Gegenteil ist der Fall: Sie fühlen sich traurig, energielos, ausgelaugt und die Situation überfordert Sie. Sie haben Schuldgefühle, weil Sie ihrem Kind nicht das Maß an Liebe schenken können, das Sie sich wünschen. Vielleicht empfinden sich sogar als „schlechte“ Mutter? Sie schämen sich und verstehen nicht, was mit Ihnen los ist? Dann kann es sein, dass Sie an einer postpartalen Depression leiden. Eine Erkrankung mit der Sie keineswegs allein sind und die sehr gut behandelt werden kann.
Was ist eine postpartale Depression?
Eine postpartale Depression – auch Wochenbettdepression genannt – ist die häufigste psychische Erkrankung nach der Entbindung. Etwa jede siebte bis zehnte Frau nach der Geburt ist davon betroffen. Dabei kommt es innerhalb der ersten zwei Jahre nach der Geburt des Kindes zu langanhaltenden depressiven Episoden, die von Trauer, Teilnahmslosigkeit und Schuldgefühlen geprägt sind. Die direkte Umwelt zeigt oft wenig Verständnis. Eine Mutter, die keine Gefühle für ihr Kind entwickeln kann, gilt als tabu. Viele Betroffene leiden deshalb aus Scham still. Sie vernachlässigen sich selbst und den Säugling oder versorgen das Kind nur noch mechanisch. Dadurch drohen Bindungsstörungen und Verhaltensauffälligkeiten beim Kind. Außerdem verfestigt sich unbehandelt der Leidensdruck bei den Betroffenen und verschlimmert sich weiter. Das kann schlimmstenfalls zum Suizid bzw. zum erweiterten Suizid führen, bei dem die Mutter keinen Ausweg mehr weiß und sich oder sich und das Kind tötet.
Postpartale Depression: Wichtige Indikationen
Eine Wochenbettdepression bzw. postpartale Depression ist eine sehr ernst zu nehmende psychische Krankheit. Sie entsteht in der Regel schleichend und steht in engem zeitlichem Zusammenhang mit der Geburt. Je nach Ausprägung und Schwere der Symptome werden dabei grundsätzlich drei Formen unterschieden:
– Postpartales Stimmungstief – auch „Babyblues“ oder „Heultage“ genannt.
– Postpartale Depression
– Postpartale Psychose
Postpartales Stimmungstief: Was ist der Babyblues?
Wenige Tage nach der Geburt – etwa um die Zeit des Milcheinschusses herum – entwickeln 50 bis 80 Prozent aller Mütter ein postpartales Stimmungstief – den sogenannten Babyblues. Dabei kommt es zu leichten psychischen Verstimmungen und Empfindlichkeiten mit Niedergeschlagenheit, Versagensängsten, häufigem Weinen, Schlafproblemen und Erschöpfung. Diese sehr häufig vorkommenden „Heultage“ – wie sie auch genannt werden – sind meist nur von kurzer Dauer. Sie gelten als mildeste Form der postpartalen Depression. Für die Entstehung wird in erster Linie der starke Hormonabfall von Östrogen und Progesteron direkt nach der Geburt verantwortlich gemacht. Insbesondere Östrogen wirkt im Gehirn stimmungsaufhellend und stabilisierend. Dazu kommen die vielen Veränderungen im Alltag und in der Paarbeziehung, die ein Baby mit sich bringen sowie der Schlafentzug. Wenn sich nach wenigen Stunden bis einigen Tagen das Hormonniveau im Körper wieder eingependelt hat und der Alltag mit dem Baby routinierter wird, klingen die Beschwerden bei den allermeisten Frauen von selbst schnell wieder ab. Eine Therapie ist in der Regel nicht erforderlich. Besonders hilfreich sind in dieser sensiblen Phase eine unterstützende Aufklärung und Beratung durch den behandelnden Arzt bzw. die Hebamme sowie verständnisvolle Hilfe und Unterstützung durch den Partner und andere enge Bezugspersonen.
Was ist eine postpartale Depression?
Wenn die Beschwerden jedoch länger als zwei Wochen bestehen bleiben, sich verfestigen und verstärken oder ähnliche Symptome innerhalb der ersten zwei Jahre nach der Geburt erneut und langanhaltend wieder auftreten, kann es sein, dass es sich um den Beginn einer postpartalen Depression handelt. Etwa 10 bis 15 Prozent aller frisch entbundenen Mütter entwickeln eine postpartale Depression. Die Wochenbettdepression, wie die postpartale Depression umgangssprachlich auch genannt wird, ist eine sehr ernstzunehmende psychische Erkrankung. Sie entwickelt sich in der Regel schleichend. Erste Anzeichen treten typischerweise etwa 4 bis 6 Wochen nach der Geburt auf. Sie können sich aber auch noch später bis zu zwei Jahre nach der Geburt auftreten.
Weil es den betroffenen Frauen infolge der Krankheit nicht gelingt positive Gefühle für das Baby zu entwickeln und sich entsprechend liebevoll um das Kind zu kümmern, entwickeln sie häufig starke Schuldgefühle. Sie schämen sich extrem, fühlen sich als schlechte Mutter und überspielen ihre Gefühle nach außen hin. Oft ziehen sie sich stark zurück und isolieren sich. Nur wenige finden den Mut sich anderen Menschen anzuvertrauen. Das führt dazu, dass postpartale Depressionen oft sehr spät oder auch manchmal gar nicht erkannt werden.
Anders als das postpartale Stimmungstief, verschwindet eine Wochenbettdepression aber nicht von alleine. Sie kann schwerwiegende Auswirkungen auf die Gesundheit von Mutter und Kind haben. Deshalb sollte sie immer fachärztlich behandelt werden.
Was sind die Symptome einer postpartalen Depression?
Typische Anzeichen für eine Wochenbettdepression
- Anhaltende Traurigkeit
- Häufiges Weinen
- Schlafstörungen
- Leeregefühl
- Ängstlichkeit
- Überforderung
- Selbstzweifel
- Konzentrationsstörungen
- Psychosomatische Beschwerden, wie Kopfschmerzen, Schwindel, Herzbeschwerden, etc.
- Appetitlosigkeit
- Sexuelle Unlust
- Gleichgültigkeit
- Vernachlässigung der eigenen Person
- Empathielosigkeit gegenüber dem Kind
- Scham- und Schuldgefühle
- Isolation und Einsamkeit
Postpartale Psychose: Was ist das?
Eine postpartale Psychose ist die schwerste Form der postpartalen Depression. Sie tritt sehr selten auf. Etwa 0,1 bis 0,3 Prozent – also eine bis drei von tausend Müttern – sind davon betroffen. Dabei handelt es sich um eine schwere Depression, bei der neben Symptomen der postpartalen Depression – zusätzlich auch noch Merkmale einer Psychose auftreten. Dazu gehören Wesens- und Verhaltensänderungen, die eine akute Gefahr für Mutter und Kind darstellen können. Eine postpartale Psychose ist deshalb immer ein medizinischer Notfall, der rasch und möglichst stationär behandelt werden sollte.
Was sind die Symptome einer postpartalen Psychose?
Die ersten Anzeichen einer postpartalen Psychose treten meist innerhalb der ersten sechs Wochen nach der Entbindung auf. Dabei kommt es, neben den typischen Merkmalen der postpartalen Depression, wie tiefer Traurigkeit, Teilnahmslosigkeit, Antriebslosigkeit, Ängstlichkeit, usw. auch zu Symptomen einer Psychose. Dazu gehören:
- Wahnvorstellungen
- Halluzinationen
- Starke Angstzustände
- Unruhe
- Verwirrtheit
- Desorientierung
- Zwangsgedanken sich oder dem Kind etwas anzutun
- Suizidgedanken
Ursachen der postpartalen Depression
Wie eine postpartale Depression bzw. postpartale Psychose genau entsteht ist bis heute nicht vollständig geklärt. Fest steht allerdings, dass es nicht nur eine Ursache gibt, die für die Erkrankung verantwortlich ist, sondern, dass verschiedene Faktoren zusammenkommen müssen, damit sich eine Wochenbettdepression entwickelt. Dazu gehören:
Biologische Risikofaktoren
- Hormonveränderungen
Als wichtiger Faktor für die Entwicklung einer postpartalen Depression zählen die starken Hormonveränderungen nach der Geburt. Unter anderem sinkt die Konzentration der weiblichen Geschlechtshormone Gestagen und Östrogen stark ab. Da aber insbesondere Östrogen im Gehirn stabilisierend und stimmungsaufhellend wirkt, macht sich der plötzliche Hormonabfall häufig als Stimmungstief bemerkbar. Die meisten Frauen kennen solche Stimmungsschwankungen in deutlich milderer Form bereits von Hormonveränderungen innerhalb des Zyklus. Frauen, die auf Hormonveränderungen besonders sensibel reagieren, z.B., wenn sie am prämenstruellen dysphorischen Syndrom leiden oder auch auf die Einnahme von hormonellen Verhütungsmitteln mit Stimmungsschwankungen reagieren, tragen ein erhöhtes Risiko auch eine postpartale Depression zu entwickeln.
- Schlafentzug
Die Geburt und anschließende Versorgung eines Babys sind extrem kräfteraubend. Viele Frauen leiden an massivem Schlafentzug, was zu körperlicher und geistiger Erschöpfung sowie Stoffwechselentgleisungen führen kann. Dazu kommen häufige Verunsicherungen sowie Überforderungen durch die neue Situation, die neue Rolle, die Veränderung in der Partnerschaft sowie die ständige Sorge alles richtig zu machen.
Risikofaktor Vorerkrankungen
Vorangegangene psychische Erkrankungen und Depressionen, Psychosen und Angsterkrankungen während der Schwangerschaft gelten ebenfalls als bedeutende Risikofaktoren. So haben – laut einer Studie aus dem Jahr 20061) – Frauen mit einer unbehandelten Depression während der Schwangerschaft ein 7-fach! erhöhtes Risiko nach der Geburt eine postpartale Depression zu entwickeln.
1)Ross LE, McLean LM, Psych C. Anxiety disorders during pregnancy and postpartum period: a systematic rewiew. Depression 2006; 6: 1-14
Soziale Risikofaktoren
Als Risikofaktor für die Entwicklung einer postpartalen Depression gelten außerdem auch die geringe Unterstützung durch den Partner und das soziale Umfeld oder gar häusliche Gewalt, eine vorangegangene Trennung oder Scheidung, eine ungewollte Schwangerschaft, Zwillings- und Mehrlingsgeburten sowie gesundheitliche Probleme des Kindes oder auch Schreikinder.
Risikofaktor Traumata
Auch ein traumatisches Geburtserlebnis, traumatische Erlebnisse und Vernachlässigungen in der eigenen Kindheit, der Tod einer nahestehenden Person während der Schwangerschaft sowie sonstige Belastungen und kritische Lebensereignisse können die Entwicklung einer postnatalen Depression fördern.
Postpartale Depression: Folgen für Mutter und Kind
Eine Mutter, die sich über ihr Kind nicht freuen kann, gilt innerhalb der Gesellschaft immer noch als Tabu. Betroffene Mütter trauen sich deshalb oft nicht über ihre Probleme zu sprechen. Das Krankheitsbild der postpartalen Depression wird deshalb oft erst spät erkannt und entsprechend oft spät behandelt. Für die Mutter entsteht dadurch ein anhaltend hoher Leidensdruck, der im schlimmsten Fall zur Selbsttötung oder auch zur erweiterten Selbsttötung führen kann. Bei dem Kind kann es zu Schlaf- und Gedeihstörungen, Saugverwirrung, Verhaltensauffälligkeiten und Bindungsstörungen kommen. Langfristig können außerdem Störungen in der emotionalen und kognitiven Entwicklung auftreten, die sich bis ins Erwachsenenalter hinein auswirken können.
Häufige Begleiterkrankungen der postpartalen Depression
Zusätzlich oder zusammen mit der postpartalen Depression können weitere psychische Begleiterkrankungen auftreten. Dazu zählen vor allem:
Neben allgemeinen Ängsten, treten häufig übersteigerte Ängste um das Wohlergehen des Babys auf sowie massive Ängste und Selbstzweifel, das Kind richtig versorgen zu können. Zusätzlich kann es außerdem zu Panikattacken kommen.
In Zusammenhang mit dem der postpartalen Depression treten nichts selten auch Zwangshandlungen mit ständigem Säubern und Desinfizieren auf und es kommt zu angstmachenden Zwangsgedanken, die davon handeln sich und dem Kind etwas anzutun.
Therapie: Wie wird eine postpartale Depression behandelt?
Das Krankheitsbild der postpartalen Depression ist also äußerst vielschichtig, was einerseits die Ursachen und die Ausprägung, andererseits aber auch die Symptome und Begleiterkrankungen anbelangt. Erschwerend kommt bei der Therapie hinzu, dass nicht nur die erkrankte Mutter behandelt werden muss, sondern vor allem auch die Beziehung zum Kind verbessert und normalisiert werden sollte. Die Schulmedizin sieht hierfür den Einsatz von Psychotherapie, Hilfe und Entlastung im Alltag sowie den Einsatz von Psychopharmaka vor.
Für stillende Mütter kann der Einsatz von Medikamenten jedoch problematisch werden, weil ein Großteil der Wirkstoffe in die Muttermilch übergehen kann.
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