Author: Claudia M. Elsig, MD
Scheidungen von sehr vermögenden Menschen (High Net Worth Individual – HNWI) sind bekanntermaßen komplex, denn es steht sehr viel auf dem Spiel. Langwierige juristische Verhandlungen sind keine Seltenheit und einen Durchschnittsbürger können die eventuellen Abfindungen schon sprachlos machen.
Von außen betrachtet kann es befremdlich erscheinen, über Geld zu streiten, wenn doch so viel davon da ist. Aber Vermögen bringt eine besonders komplizierte Mischung von Herausforderungen mit sich, speziell mit Hinblick auf eine Scheidung, auf finanzielle Regelungen, geschäftliche Vereinbarungen und auch das Sorgerecht für die Kinder.
Die emotionale Belastung kann bei einer Scheidung von Superreichen extrem sein. Während gescheiterte Ehen in allen Lebensbereichen emotionalen Schmerz verursachen, stellt Vermögen eine zusätzliche, psychologische Herausforderung dar.
Im Folgenden untersuchen wir, wie Vermögen sich auf Scheidungen auswirkt und die psychische Gesundheit beeinträchtigt.
Was sind die gängigen Ursachen für das Scheitern einer Ehe in wohlhabenden Kreisen?
Die meisten Menschen können sich kaum vorstellen, wie ein Eheleben als Milliardär wäre. Es ist ein Leben mit Vollzeit-Kinderbetreuung, Internaten, privaten Küchenchefs, Reinigungskräften, Gärtnern, einem persönlichen Assistenten und jeglicher anderer Hilfe, um die Herausforderungen des Alltags reibungslos bewältigen zu können. Da kann man sich schon fragen, worüber es noch zu streiten gibt. Die Belastungen und der Stress eines gewöhnlichen Lebens existieren im Leben der Superreichen nicht.
Wo also laufen die Beziehungen zwischen diesem privilegierten einen Prozent der Gesellschaft schief? Und was bedeutet das für die psychische Gesundheit?
Meinungsverschiedenheiten bei den Ausgaben
Geld ist eines der häufigsten Themen, über das in Ehen gestritten wird. Man würde jedoch nicht erwarten, dass dies bei den sehr Wohlhabenden so problematisch sein kann. Doch ein extravaganter Lebensstil kann bei diesen Paaren zu Meinungsverschiedenheiten über die Finanzen führen, speziell wenn einer der Ehepartner der große Verdiener ist und der andere nicht arbeitet, jedoch gerne leichtfertig Geld ausgibt.
Deborah Price, die anerkannte Autorin von “The Heart of Money: A Couple’s Guide to Creating Financial Intimacy” sagt, bei Paaren, die über Geld streiten, sei dies nicht immer, weil sie nicht genug davon hätten. In vielen Fällen sei die Dysfunktion vielmehr umso größer, je mehr Geld da sei.1
Lesen Sie mehr über die Psychologie des Reichtums und dessen Folgen für die psychische Gesundheit in unserem vorherigen Blogeintrag.
Der abwesende Ehepartner
Ein Ehepartner, speziell wenn es sich um den CEO eines Unternehmens handelt, arbeitet unglaublich viele Stunden und ist viel auf Reisen, verbringt also viele Stunden außer Haus. Diese Abwesenheit kann ungemeine Spannungen in einer Ehe mit sich bringen. Viele superreiche Paare bestehen aus geldverdienenden Ehemännern und daheim bleibenden Ehefrauen.
Nach Angaben der Federal Reserve hatten in den USA 53 Prozent der sehr vermögenden heterosexuellen Paare eine Vereinbarung, wonach die Frau nicht erwerbstätig war. Bei vermögenden Paaren lag dieser Anteil bei 27 Prozent, bei Paaren aus der gehobenen Mittelschicht bei 20 Prozent und bei weniger gut situierten Paaren bei 26 Prozent.2
Es ist komplex, eine gesunde Beziehung aufrechtzuerhalten, wenn einer der Partner über längere Zeiträume abwesend ist. Affären sind gang und gäbe und auf beiden Seiten kann es zu Ressentiments kommen.
Ungleiche Machtverhältnisse
Untersuchungen weisen auf ein geschlechtsspezifisches Ungleichgewicht mit Blick auf die Verdienstmöglichkeiten in superreichen Haushalten hin. In der Elitegruppe der obersten ein Prozent der Verdiener in den USA haben weiße, heterosexuelle, verheiratete Männer die höchsten Einkommen.3
Bei diesem einen Prozent haben die für den Unterhalt zuständigen Männer im Haushalt wahrscheinlich eine größere Entscheidungsbefugnis, was für Frauen eine Entmachtung darstellt, insbesondere dann, wenn sie bei der Heirat eine erfolgreiche Karriere aufgegeben haben. Diese ungleichen Machtverhältnisse können in einer Beziehung starke Auswirkungen auf das psychische Wohlbefinden haben.
Die Frau zu Hause (wenn auch nicht ausschließlich, es kann auch ein Mann sein) fühlt sich möglicherweise kontrolliert und hat das Gefühl, dass sie keine andere Wahl hat, als auf die Wünsche des Geldverdieners einzugehen. Bei der Machtdynamik geht es vielleicht nicht nur um Reichtum, sondern auch um Status, Ruhm oder Bildungsniveau. Auf diese Weise vom Partner kontrolliert zu werden, ist eine Art des Missbrauchs, der bei einer nicht einvernehmlichen Scheidung schreckliche Folgen haben kann.
Vertrauensmangel
Vertrauen kann in jeder Beziehung an seine Grenzen stoßen, aber Untersuchungen zeigen, dass vermögende Menschen eher dazu neigen, fremdzugehen.4 Reiche Männer stehen Affären und One-Night-Stands offener gegenüber. Status und Reichtum können jemanden zu einem attraktiven Dating-Angebot machen. Es ist weitverbreitet, dass Partner eine Affäre haben, während die Betrogenen wegschauen.
Aber es kommt in jedem Fall zu einem Vertrauensverlust und vielleicht war es letztlich das, was zur Trennung von Bill und Melinda Gates führte. Obwohl sie an ihren Differenzen arbeiteten, hieß es, Melinda sei unglücklich über die Treffen von Bill mit Jeffrey Epstein gewesen. Der später verurteilte Pädophile Epstein soll Bill Gates wegen einer angeblichen Affäre erpresst haben.5
Wenn Vertrauen auf diese Weise gebrochen wurde, können Scheidungen hässlich werden. Das wiederum hat bedeutende negative Folgen für die psychische Gesundheit, beschädigt das Selbstwertgefühl, verstärkt Süchte und führt schließlich zu Angststörungen und Depression.
Mangelnde Moral
Mit Privilegien und Reichtum kommen auch die Ansprüche. Forscher, die das Verhalten von Reichen analysiert haben, kamen zu dem Schluss, dass es Vermögenden an Moral mangelt. Studien zeigen, dass reiche Menschen eher dazu neigen, Steuern zu hinterziehen und ihre Lebenspartner zu betrügen.6 Sie sind auch weniger empathisch und spenden in Relation zu ihrem Einkommen weniger als einkommensschwächere Haushalte.
Manchmal ist Scheidung eine zwingende Notwendigkeit, um die psychische Gesundheit zu schützen. Aber ein langanhaltender Mangel an emotionaler Unterstützung, die Ablehnung durch den Ehepartner, kompromisslose Konflikte und Untreue wirken sich spürbar auf die psychische Gesundheit aus. In Kreisen von Superreichen, wo Privatsphäre ein Heiligtum ist, scheint es eine Bereitschaft zu geben, bedauerliches Verhalten zu akzeptieren.
Mangel an Flexibilität
Eine andere Studie fand heraus, dass reiche Menschen in der Liebe weniger erfolgreich sein können, da sie verglichen mit ärmeren Menschen in einer Beziehung womöglich weniger Flexibilität und Empathie zeigen.7 Kommt es zu einer Scheidung, tritt dieser Mangel an Flexibilität oft im Zusammenhang mit den Scheidungsfolgen hervor, was die Trennung schmerzhaft, lang und belastend macht.
Egozentrik, Narzissmus und Dysfunktion
Der moralische Aspekt bringt uns zu einer weiteren Frage: Gibt es in vermögenden Kreisen mehr Narzissten? Die Antwort ist schlicht und ergreifend “Ja”.
Untersuchungen belegen dies. Fünf Studien zeigten, dass höhere gesellschaftliche Schichten mit erhöhten Ansprüchen und Narzissmus in Verbindung stehen.8 Irrationales und rachsüchtiges Verhalten ist bei Menschen mit einer narzisstischen Persönlichkeitsstörung häufig anzutreffen. Und das kann in einer Beziehung unendlich viel Schaden anrichten.
Vermögende Familien sind oftmals hoch dysfunktional. Die TV-Serie “Succession”, ein Drama über die Irrungen und Schwierigkeiten einer ultrareichen Familie, mag reine Fiktion sein, aber sie kommt der Wirklichkeit erschreckend nahe. Die Charaktere sind in erster Linie hinterhältig, egoistisch, manipulativ und besessen davon, Vermögen und Status anzuhäufen.
Abgesehen von den Privilegien, die Vermögen mit sich bringen kann, schafft es für ein Kind eine brutale Welt, um darin aufzuwachsen. Viele, die in hyperreiche Kreise hineingeboren werden, erleben wahrscheinlich als Kind ein Trauma, besonders dann, wenn sie auf ein Internat geschickt werden oder psychische Gewalt erfahren. Das kann Auswirkungen bis hinein ins Erwachsenenleben haben und Beziehungen immensen Schaden zufügen. Mit einem Narzissten verheiratet zu sein oder sich von ihm zu trennen, ist extrem traumatisch.
Mangel an Empathie
Die Dinge können schnell hässlich werden, wenn ausschlaggebende Qualitäten, die eine gesunde Beziehung ausmachen, verlorengehen. Beziehungen leiden darunter, wenn es völlig an Empathie fehlt. Dutzende von Studien zeigen, dass Gefühle wie Mitgefühl und Empathie mit wachsendem Vermögen zurückgehen.
Die vermögensbedingten Komplikationen bei einer Scheidung
Neben den emotionalen Konsequenzen einer Scheidung gibt es auch komplexe finanzielle Aspekte, wenn ein riesiges Vermögen vorhanden ist. Welche Vermögenswerte müssen dann im Fall einer Scheidung aufgeteilt werden?
Es gibt vorrangig vier Kategorien von Vermögenswerten, die bei einer HNWI-Scheidung berücksichtigt werden müssen:
- Finanzen – Bargeld, Bankkonten oder Fonds, einschließlich Anleihen und Aktien
- Immobilien – Grundbesitz und Gebäude, inklusive Immobilien, Ferienhäuser oder Grundbesitz im Ausland
- Sachwerte – Autos, Schmuck, Bilder, Kunst, Kleidung und Accessoires
- Private Rentenvorsorge
Auch Geschäftsinteressen können berücksichtigt werden, werden aber gewöhnlich nicht aufgeteilt (z.B. wird eine Person nicht gezwungen, ihr Unternehmen zu verkaufen oder die Eigentümerschaft auf zwei Personen aufzuteilen). Allerdings kann einer der Partner zum Ausgleich einen größeren Teil der Vermögenswerte erhalten. Auch der Abschluss eines Ehevertrags ist keine Seltenheit.
Wie funktioniert ein Ehevertrag?
Ein Ehevertrag legt die Bedingungen einer potenziellen Scheidung von zwei hochvermögenden Eheleuten fest. In einem solchen Vertrag ist verankert, wie die Vermögenswerte im Fall einer Scheidung aufgeteilt werden. In Eheverträgen können auch finanzielle Verpflichtungen während der Ehe festgeschrieben werden.
Was sind die besonderen psychischen Probleme bei der Trennung einer hochvermögenden Ehe?
Superreiche Menschen stehen in ihrem Leben vor verschiedenen Herausforderungen, die Menschen, die diesen Milliardärslebensstil nicht führen, fremd sind. Eine Person, die einen verschwenderischen Lebensstil hat, mag fürchten, dass ihr dies bei einer Scheidung weggenommen wird. Eine Frau kann auch unter dem Gefühl leiden, ihre geschäftlichen Interessen und ihre Karriere geopfert zu haben.
Das Ende einer Ehe ist eine häufige Ursache für Depression und bei Vermögenden ist dies noch einmal akzentuiert, weil sie ebenfalls den Verlust von Status und Geld erleben. Eine Person fühlt sich verletzbar und schlecht vorbereitet auf die Vorstellung, die täglichen Ausgaben “herunterfahren” zu müssen. Oftmals gibt es eine Machtungleichheit, Einfluss auf den Entscheidungsprozess oder unrealistische Erwartungen.
Wenn ein extrem reicher Haushalt auf die Anhäufung und den Erhalt von Vermögen fixiert ist, sind Beziehungen bereits enorm zerbrechlich, wenn der Moment der Scheidung kommt. Die Personen haben wahrscheinlich keine körperliche Zuneigung und Intimität mehr erfahren. In einigen Fällen kann es zu sexuellem, körperlichen oder psychologischen Missbrauch gekommen sein. Missbrauch ist natürlich kein Monopol von vermögenden Paaren, aber er ist zweifellos leichter zu verbergen.
Eine Vorgeschichte von Traumata in der Kindheit kann ebenfalls Abhängigkeiten während einer Scheidung auslösen. Es ist nicht ungewöhnlich für vermögende Menschen, zu Alkohol und Drogen zu greifen, die leicht zugänglich sind. Auch Essstörungen werden entwickelt.
Geldangelegenheiten sind immer chaotisch. Je mehr Geld im Spiel ist, umso chaotischer wird es. Viele Menschen mögen nur schwerlich Mitgefühl mit Vermögenden aufbringen können, aber es ist gleichgültig, wie reich jemand ist, seine Geschichten sind trotzdem schmerzhaft.
Wiederherstellung der psychischen Gesundheit nach einer Scheidung bei CALDA
CALDA widmet sich der psychischen Gesundheit von sehr vermögenden Menschen (UHNWI). Wir wissen um den einzigartigen Druck, der auf Menschen mit extremem Reichtum lastet, einschließlich hochrangiger Persönlichkeiten. Unser Team aus Spezialisten und professionellen Therapeuten widmet sich stets nur einem Kunden, so dass wir unsere ungeteilte Aufmerksamkeit sowie die höchste Diskretion und Verschwiegenheit bieten können.
Wenn Sie nach einer HNWI-Scheidung mit Depression, Ärger, Ressentiments oder Wut zu kämpfen haben oder gerade durch einen HNWI-Scheidungsprozess gehen und psychologische Unterstützung benötigen, können wir Ihnen helfen.
Rufen Sie uns an für ein Vorgespräch mit Dr. Claudia M. Elsig.
Quellenangaben:
- J. McKinnell, 12. Dez. 2012. Wealthy couples argue about money too. Maclean’s [Online-Zugriff am 26. Jun. 2023]
- J. Yavorsky & S. Thebaud, Most super rich couples have breadwinning husbands and stay-at-home wives, contrasting sharply with everyone else. theconversation.com [Online-Zugriff am 26. Jun. 2023]
- J. Yavorsky, et al. 15. Mar. 2020. Gender in the one percent. contexts.org [Online-Zugriff am 26. Jun. 2023]
- W. Wan, 13. Aug. 2018. Are rich people more likely to lie, cheat, steal? Science explains the world of Manafort and Gates. The Washington Post.
- A. Rahaman Sarkar, 23. Mai 2023. Jeffrey Epstein blackmailed Bill Gates with threat to expose alleged affair with Russian bridge player. The Independent [Online-Zugriff am 27. Jun. 2023]
- M. Lepore, 23. Aug. 2018. A series of studies suggest people who think themselves rich could be more likely to steal, cheat and lie. Business Insider.
- N. Spector, 12. Jan. 2018 Why wealthy people may be less successful in love. NBC News [Online-Zugriff am 26. Jun. 2023]
- P.K. Piff., Jan. 2014. Wealth and the inflated self: class, entitlement, and narcissism. Pers Soc Psychol Bull. Jan. 2014;40(1):34-43.