Die Auswirkungen eines Traumas auf einen Menschen sind komplex und die Stressreaktionen können sehr unterschiedlich ausfallen. Tatsache ist, dass zwei Menschen mit einer vergleichbaren traumatischen Erfahrung in komplett unterschiedlicher Weise reagieren können.
Dennnoch gibt es einige allen gemeinsame Reaktionen auf ein Trauma. Dissoziation ist eine davon und tritt vor allem in Fällen von extremem physischen, emotionalen und/oder sexuellen Missbrauch sowie schwerwiegender Vernachlässigung auf. Das Wichtigste, was man über Dissoziation verstehen muss, ist, dass es sich um einen Abwehrmechanismus handelt – es ist ein Weg, mit dem der Geist den Stress eines traumatischen Erlebnisses zu verkraften versucht.
Eine Person kann für eine kurze Zeit dissoziieren (Stunden oder Tage) oder über einen längeren Zeitraum hinweg. Eine dissoziative Störung ist eine psychische Krankheit, die auftritt, wenn eine Person für längere Zeit dissoziiert.
Dieser Blogeintrag erläutert, was Dissoziation ist, wie sie durch Traumata ausgelöst werden und welche Behandlung helfen kann.
Was ist Dissoziation?
Dissoziation ist die Abspaltung von Gedanken, Gefühlen und Erinnerungen eines Menschen von dessen Selbstgefühl. Es gibt einen Bruch in der Art und Weise, wie der Verstand Informationen in Reaktion auf extremen Stress verarbeitet. Das geht mit einer Loslösung von der Realität einher.
Es handelt sich um eine natürliche Reaktion auf ein Trauma, besonders in Fällen von kumulativen psychologischen Traumata und/oder einem Trauma in der frühen Lebensphase. In diesem Kontext agiert Dissoziation als ein Schutzmechanismus. Für die Person ist es der Weg, sich von dem zu distanzieren, was geschieht (während eines traumatischen Ereignisses) oder was geschehen ist (nach einem traumatischen Ereignis). In gewisser Weise hilft es dem Menschen, das Erlebte zu überleben.
Untersuchungen zeigen, dass 10% der Bevölkerung das als Dissoziation bekannte Phänomen während ihres Lebens erleben werden.1 Und fast drei von vier Menschen, die eine traumatische Erfahrung gemacht haben, werden während dieses Ereignisses oder in den Stunden, Tagen und Wochen danach in einen dissoziativen Zustand eintreten.
Dissoziation kann auch als Teil einer psychischen Krankheit erfahren werden wie Schizophrenie, bipolare Störung oder Borderline Persönlichkeitsstörung (BPS). Gewisse Substanzen wie Ketamin können ebenfalls dissoziative Zustände auslösen.
Was geschieht, wenn Sie dissoziieren?
Leichte Formen von Dissoziation zeigen sich als Tagträumen oder ‘Zoning out’, es ist ein wenig so, als würde man sich in ein Buch, einen Kinofilm oder eine Meditation vertiefen oder ganz einfach die Wahrnehmung für das, was um einen herum geschieht, verlieren. Das ist ein normaler Vorgang, den fast jede(r) von Zeit zu Zeit erlebt.
In seiner chronischen und ernsteren Form führt Dissoziation zu einer tiefen Abspaltung von Gefühlen und Erinnerungen und ist in höchstem Maße störend. Wenn eine Person dissoziiert, kann sie komplett die Erinnerung an gewisse Zeiträume, Ereignisse oder persönliche Informationen vergessen und kann sich seltsam losgelöst von ihrem eigenen Körper fühlen.
Ein Mensch mit einer schweren dissoziativen Störung hat kein Identitätsgefühl und empfindet sich als komplett von der Welt abgeschnitten. Betroffene beschreiben diese Erfahrung als säßen sie “neben dem Pilotensessel, auf die Instrumententafel schauend, sie aber nicht kontrollierend”.1
Welche verschiedenen Arten von dissoziativer Störung gibt es?
Es gibt drei Haupttypen von dissoziativer Störung.2 Diese sind:
- Dissoziative Amnesie – Vergessen von persönlichen Informationen und Erinnerungen an Ereignisse
- Depersonalisations- oder Derealisationsstörung – Loslösung von der Umgebung (die Welt erscheint nicht real, sondern wirkt wie ein Traum), Entfremdung vom eigenen Körper und den Gedanken (Körperteile können als kleiner oder nicht real empfunden werden)
- Dissoziative Identitätsstörung – Erleben von zwei oder mehr anhaltenden Persönlichkeitszuständen
Welche Art von Trauma verursacht Dissoziation?
Jede Art von Trauma kann dazu führen, dass ein Mensch dissoziiert. Bei den meisten Personen geschieht dies in Reaktion auf ein traumatisches Ereignis, das sie nicht kontrollieren können. Es kann sich um ein einmaliges Geschehen oder ein fortlaufendes Trauma (beispielsweise Krieg) oder auch Missbrauch handeln. Dissoziation ermöglicht es einem Menschen, sich von seiner realen Situation zu distanzieren und Schmerz und Schrecken auszublenden.
Jede Art von Trauma kann Dissoziation auslösen. Das können ein Überfall, Missbrauch (körperlicher, emotionaler oder sexueller), Naturkatastrophen, militärische Auseinandersetzungen, Krieg, Entführung, invasive medizinische Eingriffe, Vernachlässigung oder jede andere stressige Erfahrung sein.
Laut der American Psychiatric Association haben unter Menschen mit dissoziativer Identitätsstörung in den USA, Kanada und Europa rund 90 Prozent in der Kindheit Missbrauch und Vernachlässigung erfahren.3
Wie verursacht ein Trauma Dissoziation?
Um zu verstehen, wie ein Trauma Dissoziation auslöst, ist es wichtig, einen Blick auf die Neurobiologie zu werfen. Die Stressreaktion des Körpers “Kampf oder Flucht” dürfte Ihnen bekannt sein. Es ist der körpereigene Schutzmechanismus, der uns hilft, mit Gefahr umzugehen.
Wenn wir erkennen, dass wir aus welchem Grund auch immer einer Bedrohung oder Gefahr ausgesetzt sind, setzt der Körper bestimmte Hormone frei, die uns darauf vorbereiten, uns der Gefahr zu stellen und zu kämpfen oder aber zu flüchten. Es ist eine automatische physiologische Reaktion, die dem Körper einen Energieschub und erhöhte Wachsamkeit gibt. Physiologische Veränderungen führen zu einer schnelleren Herzfrequenz, um den Sauerstoffgehalt im Blut zu erhöhen, die Atmung beschleunigt sich, um mehr Sauerstoff zu liefern, das periphere Sehen nimmt zu, und so weiter.
Doch manchmal kann eine Person weder kämpfen noch weglaufen (vielleicht weil sie noch zu jung ist). In diesen Fällen erstarrt der Körper. Der Körper setzt Chemie frei, um die Person praktisch zu betäuben und der Situation nicht bewusst werden zu lassen. Denkprozesse setzen aus. Das Gefühl von Taubheit und Verlorensein ist Dissoziation. Es ist ein instiktiver Überlebensmechanismus.4
Nach einem traumatischen Erlebnis kann der Körper auch eine übertriebene oder überaktive Reaktion entwickeln. Untersuchungen an der Stanford Universität haben molekulare Grundlagen und Dynamiken bei Gehirnschaltkreisen aufgezeigt, die Dissoziation zugrunde liegen.1 Die Ergebnisse benennen ein bestimmtes Protein in einer bestimmten Zellgruppe als ausschlaggebend für das Gefühl der Dissoziation.
Jüngste Forschungen an traumatisierten Kindern und Jugendlichen haben einige neurochemische, funktionale und strukturelle Anomalien in Gehirnbereichen gezeigt, die für Kognition und Erinnerung verantwortlich sind.5
Bei BPS wurde dissoziativen Symptomen Einfluss auf die kognitive Funktion nachgewiesen. Es gibt Anzeichen einer “reduzierten Aktivität in limbisch(-verbundenen) temporären Bereichen (Amydgala, Gyrus temporalis superior, Gyrus fusiformis), einer gesteigerten frontalen Aktivität (Gyrus frontalis inferior, DLFFC) und veränderter Interaktionen zwischen diesen Regionen.”6
Wie sieht die Behandlung von dissoziativer Störung aus?
Psychotherapie ist die vorherrschende Behandlung dissoziativer Störungen mit dem Ziel der Integration. Die Behandlung muss vor allem auf die Heilung jeglicher Kindheitstraumata ausgerichtet sein. Am wichtigsten ist es, dass die Behandlung mit der allergrößten Erfahrung und Sorgfalt durchgeführt wird, um eine Retraumatisierung zu verhindern.
Bei CALDA nutzen wir traumaspezifische Psychotherapietechniken, um das Kerntrauma zu verarbeiten. Dann können die gesplitteten Fragmente wieder miteinander in Bezug gebracht, integriert und an die Erinnerung weitergeleitet werden. Wir arbeiten vorrangig mit klinischer Hypnose und EMDR, bei komplexer PTBS auch mit Enaktiver Traumatherapie.
Dr. Claudia M. Elsig, medizinische Direktorin der CALDA Clinic, ist Expertin auf diesem Gebiet, arbeitet mit Traumatherapietechniken, die von dem herausragenden Prof. Ellert Nijenhuis entwickelt wurden. Nijenhuis, der über 40 Jahre hinweg verschiedene traumatisierte Patienten behandelte und wissenschaftlich untersuchte, hat eine dreibändige Abhandlung über Dissoziation geschrieben und wie diese zu behandeln ist. (“The Trinity of Trauma” Band I und II, sowie der dritte Band “Enactive Trauma Treatment”).
Bei Borderline Persönlichkeitsstörungen werden Skillstraining, Mindfulness-Training und Elemente von DBT (Dialektisch-Behaviorale Therapie) eingesetzt.
Bei CALDA wird jeder Fall individuell behandelt und ein personalisiertes Programm entwickelt. Der Ansatz der Klinik ist ganzheitlich. Wir unterstützen den Körper mit den korrekten Mikronährstoffen. Unsere Therapie erstreckt sich über sieben Tage in der Woche mit 6 bis 8 Therapiestunden täglich.
Neben der traumaspezifischen Therapie konzentrieren wir uns auf alternative und komplementäre Therapien wie die pferdegestützte Psychotherapie. Auch Therapiehunde stehen bei uns zur Verfügung. Wir nutzen Stimmtherapie, um die Entwicklung der richtigen Atmung und der Atmungsunterstützung zu erleichtern. Wir empfehlen einen Mindestaufenthalt von 4 Wochen bei uns, im Fall von schwerwiegenden Traumata können 6 bis 12 Wochen für die Heilung erforderlich sein.
Absolute Diskretion, Vertrauen und Menschlichkeit haben bei uns höchste Priorität. Kontaktieren Sie uns, wenn Sie ein Gespräch wünschen.
Quellenangaben
- Goldman, B. 16. Sept. 2020. Researchers pinpoint brain circuitry underlying dissociative experiences. Stanford Medicine News Center. [Online: abgerufen am 5. Jun. 2022].
- Tull, M. 6. Apr. 2021. What is Dissociation? Website: VeryWellMind.com [Online: abgerufen am 5. Jun. 2022].
- American Psychiatric Association. Physician Review By: Philip Wang, M.D., Dr.P.H. Aug. 2018. What Are Dissociative Disorders? Website: Psychiatry.org [Online: abgerufen am 5. Jun. 2022].
- Dissociation and dissociative disorders Website: mind.org.uk [Online: abgerufen am 5. Jun. 2022].
- Diseth TH. Dissociation in children and adolescents as reaction to trauma–an overview of conceptual issues and neurobiological factors. Nord J Psychiatry. 2005;59(2):79-91.
- Krause-Utz A, Elzinga B. Current Understanding of the Neural Mechanisms of Dissociation in Borderline Personality Disorder. Curr Behav Neurosci Rep. 2018;5(1):113-123.