Das Schweigen brechen: Wie suchen Überlebende von sexuellem Missbrauch Hilfe?

Breaking the silence - how do sexual abuse survivors seek help - CALDA Clinic
Author: Claudia M. Elsig, MD

Die Statistiken über das Ausmaß von sexuellem Missbrauch sind zutiefst schockierend. Eine von drei Frauen und einer von sechs Männern haben Berichten zufolge in ihrem Leben sexuell motivierten Missbrauch oder sexuelle Gewalt erfahren. 

Die hohe Zahl der Fälle von sexuellem Missbrauch in der Kindheit ergibt ein erschütterndes Bild. In den Vereinigten Staaten finden die dortigen Kinderschutzbehörden alle neun Minuten Hinweise auf sexuellen Kindesmissbrauch.1 Das US-amerikanische Nationale Ressourcencenter für Sexuelle Gewalt berichtet, dass eines von vier Mädchen und einer von sechs Jungen noch vor ihrem 18. Lebensjahr vergewaltigt werden.2

Vergessen Sie nicht, dass diese Statistiken sich allein auf die USA beziehen. Lassen Sie das erst einmal auf sich wirken. 

In einigen Ländern Asiens, Afrikas und des Nahen Osten ist diese Zahl sogar noch höher. Und auch in Europa sind die Statistiken gleichsam beunruhigend. In Deutschland etwa erleben 10 bis 15 Prozent der Mädchen und 6 Prozent der Jungen in ihrer Kindheit eine Form des sexuellen Missbrauchs. 

Sexueller Missbrauch und sexuelle Gewalt kommen überall vor, und zwar durch alle Gesellschaftsschichten hindurch. Sexueller Missbrauch ist eine weltweite Epidemie in allen Lebensbereichen. Und lassen Sie uns nicht vergessen, dass die Statistiken nur die bekannten oder gemeldeten Übergriffe widerspiegeln. Wie viel mehr sexueller Missbrauch aber wird totgeschwiegen?

Alle Traumata, speziell aber Traumata sexuellen und gewalttätigen Ursprungs, haben verheerende und dauerhafte Folgen für einen Menschen. Hilfe zu suchen ist nicht leicht, und im Fall von sexuellem Missbrauch haben viele Opfer Angst, darüber zu sprechen. 

Dank Kampagnen wie #MeToo und #ItsNotOk beginnt die Situation sich zu ändern. Die Entwicklung vieler Programme zur Behandlung von Traumata helfen auch den Opfern von sexuellem Missbrauch, ihr Schweigen zu brechen und Hilfe zu suchen. Dieser Blogeintrag setzt sexuellen Missbrauch in einen Kontext und beschäftigt sich mit Wegen, wie Überlebende von sexuellem Missbrauch Unterstützung finden können. 

Was ist sexueller Missbrauch oder sexuelle Gewalt?

Eine Definition von sexuellem Missbrauch mag unnötig erscheinen, aber die niedrige Verurteilungsquote von Vergewaltigern zeigt, dass die Auffassung davon, was Einverständnis bedeutet, eine große Grauzone ist. Die Einwilligung zum Sex ist ein riesiges Thema, das hier in diesem Blogeintrag nicht behandelt werden wird. Sie muss jedoch erwähnt werden, um zu verdeutlichen, warum sexueller Missbrauch konkret definiert werden muss. 

Sexueller Missbrauch oder sexuelle Gewalt ist jegliche Art von unerwünschtem Verhalten sexueller Natur, das ohne Zustimmung oder ohne Verständnis geschieht. Darunter fällt jegliche Handlung, die jemanden unter Druck setzt oder zwingt, etwas sexuell zu tun, das er/sie nicht möchte. 

Beispiele für sexuelle Übergriffe und Missbrauch sind: 

  • Unerwünschtes Küssen oder Berühren
  • Unerwünschte grobe oder gewalttätige sexuelle Handlung
  • Vergewaltigung oder versuchte Vergewaltigung
  • Ablehnung der Verwendung von Kondomen oder Einschränkungen für den Zugang zu Verhütungsmitteln
  • Verhinderung des Schutzes vor sexuell übertragbaren Infektionen (STI)
  • Sexueller Kontakt mit einer Person, die stark betrunken, unter Drogeneinfluss, bewusstlos oder aus anderen Gründen nicht in der Lage ist, ein deutliches und fundiertes “Ja” oder “Nein” zu sagen
  • Bedrohung oder Druck, um eine Person zu nicht gewünschten sexuellen Handlungen zu bringen

Die gesundheitlichen Folgen von sexuellem Missbrauch

Sexueller Missbrauch hat viele schädliche Folgen, von psychologischen über emotionalen bis hin zu körperlichen. Es gibt eine komplexe Permutation, also eine Kombination von Gesundheitsfolgen. Untersuchungen zeigen beispielsweise, dass die Vernachlässigung sowie der körperliche und sexuelle Missbrauch von Kindern mit einer erhöhten frühzeitigen Sterblichkeit im mittleren Erwachsenenleben einhergeht.4

Ein solcher Übergriff hinterlässt deutliche unauslöschliche Spuren in der Psyche und der Persönlichkeit eines Menschen. Es ist wichtig zu begreifen, dass es zwar allen gemeine Reaktionen auf sexuellen Missbrauch geben mag, aber nicht alle Opfer auf die gleiche Weise handeln oder fühlen. Entscheidend ist, dass es keine falsche oder richtige Art zu fühlen oder zu reagieren gibt. Traumata, einschließlich einmaligen, mehrmaligen oder lang andauernden und sich wiederholenden Erlebnissen, beeinträchtigen jeden auf andere Weise. 

Traumata dieser Art sind komplex und die gesundheitlichen Folgen können schwerwiegend sein. Erzwungene sexuelle Handlungen können körperliche Schäden wie Genitalverletzungen hervorrufen und viele gynäkologische Auswirkungen haben – zum Beispiel Beckenentzündungen (PID), wiederholte Harnwegsinfektionen oder sexuell übertragbare Krankheiten. 

Das Trauma setzt das Opfer auch einer breiten Palette psychischer und emotionaler Störungen aus wie Schock, Angstzustände, Depression, Panikattacken, postraumatische Belastungsstörung (PTBS) oder Vergewaltigungstraumasyndrom. Jeder Mensch reagiert anders auf ein Trauma, die Folgen können subtil, schleichend oder offensichtlich zerstörerisch sein.

Neuere Untersuchungen zeigen, dass sexueller Missbrauch in der Kindheit ein bedeutender Risikofaktor für eine Borderline-Persönlichkeitsstörung (BPS) ist. Die Quote von sexuellem Missbrauch im Erwachsenenalter wiederum ist bei BPS-Patienten verglichen mit anderen Persönlichkeitsstörungen (PS) deutlich höher.5 BPS wirkt sich darauf aus, wie ein Mensch denkt, fühlt und mit anderen Personen umgeht. Menschen mit BPS können intensive und schwankende Stimmungen durchlaufen, ein chronisches Gefühl der Leere empfinden und Schwierigkeiten haben, ihre Wut unter Kontrolle zu bringen. 

Opfer von sexuellem Missbrauch geben sich häufig selbst die Schuld. Nach sexuellem Missbrauch leiden viele Menschen an Dissoziation – ein Abwehrmechanismus des Gehirns, um das Trauma zu bewältigen. Dissoziation umfasst ein weites Spektrum, das von Tagträumen bis hin zu extremen Schwierigkeiten, mit der realen Welt zurechtzukommen, reichen kann.  

Andere Folgeerkrankungen sind Selbstverletzung, Suchtverhalten (Substanz- und Alkoholmissbrauch), Essstörungen, Schlafstörungen und sogar Suizid. Überlebende haben vielleicht auch Probleme mit Beziehungen, speziell mit sexueller Intimität. 

Hilfe suchen

Vergewaltigung und sexuelle Übergriffe werden häufig von jemandem aus dem Umfeld des Opfers begangen. Ein solches Trauma durch eine vertraute Person zu erfahren, ist verheerend. Nach dieser Erfahrung fühlt sich das Opfer verwirrt, verängstigt, allein und oftmals beschämt. 

Es ist nicht ungewöhnlich für Missbrauchsüberlebende sich selbst die Schuld zu geben oder sich schmutzig und schwach zu fühlen. Solch ein Missbrauch kann eine Person dazu bringen, ihr eigenes Urteilsvermögen in Frage zu stellen. Aus diesen Gründen kann es extrem schwierig für eine Person sein, Hilfe zu suchen, wenn jegliches Gefühl der Sicherheit und des Vertrauens zerstört wurde.

Nichts zu tun aber bedeutet für Opfer von sexuellem Missbrauch, ihr Leben niemals voll ausleben zu können. Es ist wahrscheinlich, dass sie sich unterdrückt und emotional abgekoppelt fühlen. Sich zu verschließen und Emotionen zu unterdrücken hat nicht nur physiologische Auswirkungen, sondern es schränkt auch die Fähigkeit ein, Freude zu empfinden. 

Der erste Schritt, um von einem sexuellen Trauma geheilt zu werden, ist zu reden. Für Opfer von sexueller Gewalt kann es außerordentlich schwer sein, anzunehmen, was ihnen widerfahren ist. Aber dies ist ein entscheidender Schritt. Er beginnt damit, sich an eine Person des Vertrauens zu wenden. Das kann ein Familienangehöriger oder ein Freund sein. 

Wenn ein Gespräch mit Freunden oder Familie zu einer negativen Reaktion führt, gibt es immer noch andere Wege, Hilfe zu finden, wie etwa ein Berater oder Therapeut oder aber sogar eine Hotline für Opfer von Vergewaltigung und sexuellem Missbrauch. Für einige Menschen kann auch die Teilnahme an einer Selbsthilfegruppe zuträglich sein. Google kann helfen, solche Angebote in Ihrer Nähe ausfindig zu machen. 

Der zweite Schritt ist die Suche nach psychiatrischer Hilfe. Mit Gefühlen umzugehen, die bei der Öffnung an die Oberfläche gelangen, kann allein sehr schwierig sein. Selbst wenn das Opfer gedanklich versteht, dass es keine Schuld trifft, treten Gefühle der Schuld und Scham immer noch häufig auf. Sie rühren von falschen Vorstellungen her wie etwa nicht vorsichtig genug gewesen zu sein, zu sehr auf jemanden vertraut zu haben oder gar den Übergriff nicht verhindert zu haben. 

Es ist wichtig zu wissen, dass eine Genesung von sexuellen Traumata Zeit benötigt und der Heilungsprozess emotional schmerzhaft sein kann. Während der Therapie durchläuft das Opfer möglicherweise Flashbacks, Albträume und belastende Erinnerungen. Es ist wichtig, sich von einem Therapeuten helfen zu lassen, der Erfahrung in der Behandlung von Traumata und sexuellem Missbrauch hat. So schnell wie möglich die richtige Hilfe zu finden, ist ausschlaggebend. 

Das CALDA Clinic-Programm

In der CALDA Clinic nutzen wir eine Kombination von traumaspezifischen Therapien, um eine erfolgreiche Integration und Genesung des Selbst zu gewährleisten. Enaktive Traumatherapie wird zur Behandlung komplexer, traumabedingter Dissoziation der Persönlichkeit eingesetzt. EMDR (Eye Movement Desensitization and Reprocessing) nutzt Augenbewegungen, um die kognitive Umstrukturierung zu fördern. Diese Methoden haben sich als höchst erfolgreich bei der Behandlung komplexer Traumata erwiesen, einschließlich sexuellem Missbrauch.

Das CALDA Full Program basiert auf unserem einzigartigen CALDA Concept, das von unserem erfolgreichen, internationalen Ärzteteam umgesetzt und von unserem hochqualifizierten Expertennetzwerk unterstützt wird. Die Behandlung umfasst Psychiatrie und Psychotherapie, orthomolekulare Medizin sowie eine personalisierte Kombination aus alternativen und komplementären Therapien.

Die Epidemie des sexuellen Missbrauchs

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) schätzt, dass eine von drei Frauen (30%) weltweit im Laufe ihres Lebens körperlicher und/oder sexueller Gewalt durch ihren Partner oder aber sexuelle Gewalt außerhalb einer Partnerschaft erfährt.6 Alarmierend ist, dass diese Statistik in dem zurückliegenden Jahrzehnt weitgehend unverändert geblieben ist.7

Auch die Auswirkungen negativer sexueller Erfahrungen in der Kindheit auf das Leben von erwachsenen Männern ist einer von vielen Aspekten von sexuellem Missbrauch, die zu wenig anerkannt werden. Es gibt Hinweise, die nahelegen, dass mindestens einer von sechs Männern entweder in ihrer Kindheit oder im Erwachsenenleben sexuellen Missbrauch oder Übergriffe erlebt haben.8 Eine britische Studie kommt sogar zu noch höheren Raten und zu dem Ergebnis, dass die Hälfte der erwachsenen Männer, die an ihrer Untersuchung teilgenommen hatten, unerwünschte sexuelle Erfahrungen gemacht hatte.9

Eine Metaanalyse von 22 US-amerikanischen Untersuchungen deutet darauf hin, dass 30 bis 40 Prozent der Mädchen und 13 Prozent der Jungen während ihrer Kindheit sexuellen Missbrauch erlebt haben.10 Eine systematische Durchsicht von Untersuchungen im Jahr 2016 zeigte, dass weltweit über die Hälfte der Kinder – das sind eine Milliarde Kinder im Alter von zwei bis 17 Jahren – irgendeine Art von Gewalt erfahren haben.11

Dabei zeigen Statistiken und Untersuchungen nur einen Teil des wahren Bildes. Was ist mit den Opfern, die nicht darüber reden? Wie viele Männer und Frauen mehr gibt es, die versuchen, ihr Leben als heimliche Überlebende dieses entsetzlichen Verbrechens zu leben?

Die steigende Zahl von psychischen Gesundheitsstörungen, speziell PTBS und/oder Suchterkrankungen, sind vielleicht aufschlussreich mit Blick auf die Fakten. Natürlich hat nicht jeder mit einer psychischen Gesundheitsstörung, PTBS oder Sucht in der Vergangenheit sexuellen Missbrauch erfahren. Aber es ist sehr wahrscheinlich, dass dies bei vielen der Fall war. 

Es gibt viele Geschichten über Traumata durch sexuellen Missbrauch, die erst noch erzählt werden müssen. 

Wenn Sie mehr über das CALDA-Behandlungsprogramm für Traumata durch sexuellen Missbrauch erfahren möchten, kontaktieren Sie uns bitte. Wir freuen uns, alle ihre Fragen zu beantworten. Unsere Klienten sind Selbstzahler, was absolute Diskretion und Verschwiegenheit gewährleistet.  

Quellenangaben

  1. RAINN (Rape, Abuse & Incest National Network – Amerikas größte Organisation gegen sexuelle Gewalt). Webseite. Sexual Violence Children and Teens Statistics.
  2. National Sexual Violence Resource Center. 2015. Media Pack. Statistics about Sexual Violence
  3. org Pdf. What is Sexual Abuse?
  4. N.T. Rogers. et al. Nov. 2019. The Lancet. Band 394. Suppl. 2. S. 81ff. Premature mortality in adult survivors of child abuse and neglect: a nationwide birth cohort study
  5. L.F. Ferreira et al. Apr. 2018. Psychiatry Res. 262:70-77. Borderline personality disorder and sexual abuse: A systematic review
  6. World Health Organization. 9. Mar. 2021. Fact Sheets. Violence against women.
  7. Weltgesundheitsorganisation. News. 9. Mar. 2021. Devastatingly pervasive: 1 in 3 women globally experience violence.
  8. Gemeinnützige US-Selbsthilfegruppe für Männer, die unerwünschte oder missbräuchliche sexuelle Erfahrungen gemacht haben. About Us page.
  9. Savanta: ComRes. Poll on behalf of Mankind. Feb. 2021. Mankind – Sexual Consent Poll February 2021.
  10. N. et al. 21. Mar. 2020. Mental Health and Illness of Women. S. 305-327. Mental Health Consequences of Sexual Assault.
  11. S. Hillis et al. 01. Mar. 2016. Review article in Pediatrics. Band 137. Ausgabe 3. Global Prevalence of Past-year Violence Against Children: A Systematic Review and Minimum Estimates Borderline personality disorder and sexual abuse: A systematic review